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Gastbeitrag: Auf den Spuren der Wikinger und Elfen

Island – das Land aus Feuer und Eis hieß das Reiseziel für Kathrin und mich im Juli 2018. Unsere Rundreise auf den Spuren der Wikinger und Elfen führte uns entlang beeindruckender Landschaften und Sehenswürdigkeiten. Vor allem zwei Regionen hatten uns ganz besonders angetan: der Snæfellsjökull Nationalpark und der Süden Islands.

 

Snæfellsjökull Nationalpark: Islands Miniaturwunderland

Von Fabian Herbst

 

Das hellgrüne Moos liegt wie ein Teppich auf dem tiefschwarzen, unebenen Lavagestein. Der Himmel ist grau, von Wolken bedeckt. Die Umgebung ist von einer mystisch, fast düsteren Aura umgeben. „Fehlt nur noch der Nebel“, denke ich mir. Die Landschaft wirkt surreal. Kräftige Farben und starke Kontraste. Als ob man einen dieser Filter darüber gelegt hätte.
Snæfellsnes, übersetzt Schneeberghalbinsel, westlich der Borgerfjördur im Westen Islands ist eine besondere Region. Denn in dem dort ausgewiesenen Snæfellsjökull Nationalpark sind alle Reize der 100.250 Quadratkilometer großen Insel im Nordpazifik auf einem Fleck zu finden. Wasserfälle, Gletscher, Vulkankrater, Eishöhlen und Strände. Daher wird die Region auch Miniatur-Island genannt.

 

 

Kathrin und ich sitzen in unserem gemieteten Skoda Fabia. Der Wagen liegt ruhig auf der ebenen, asphaltierten Straße 574. Wir steuern Ólafsvik an, eine Hafenstadt mit rund 900 Einwohnern im Norden des Nationalparks. Rund 90 Minuten von der Ringstraße 1, der Hauptverkehrsader der Insel, entfernt.

 

Wir passieren das Ortsschild. Tankstelle. Restaurants. Bäckerei. Kirche mit benachbartem Sportplatz. Im Hafen liegen einige Fischkutter vor Anker. Trotz seiner Abgelegenheit zur Ringstraße bietet das Örtchen vieles. Wir parken. Steigen aus. Ich rümpfe die Nase. Fischgeruch. „Stell dich nicht so an“, sagt Kathrin lächelnd.
Ich schaue entlang der Holzhäuser mit ihren blauen, roten oder gelben Fassaden. „Ein schöner Ort“, sag ich zu Kathrin. Wir verweilen für einen Moment. Ich schaue mich weiter um. Ein grauer, unscheinbarer Betonklotz durchquert meinen Blick. An der Seite des Gebäudes verläuft von oben nach unten ein Schriftzug – „North Star Guesthouse“. „Das ist unsere Unterkunft“, weise ich meine Begleiterin drauf hin. Wir betreten das Gebäude. Ich erinnere mich an eine Email von vor einigen Tagen. „Self-Check-In“. 3. Stock. Zimmer-Code eingeben. Ich betätige den Knopf des Aufzuges. 3. Stock. Gehe zu unserem Zimmer. Gebe den Zimmer-Code ein. Die Tür öffnet sich. Bett, Schrank, ein Tisch mit zwei Stühlen. „Für eine Nacht und 92 Euro ist es absolut sauber und in Ordnung“, denk ich mir. Dazu Frühstück und Gemeinschaftsbad.

Da wir nur für einen Tag im Snæfellsjökull Nationalpark sind, begeben wir uns kurz darauf auf Entdeckungstour und fahren von Ólafsvik die Straße 574 südlich Richtung Rif und Hellnar.

Die Straße führt am Snæfellsjökull, dem 1.446 Meterhohen Stratovulkan des Nationalparks, vorbei. Wir halten kurz an und steigen aus.
Mein Blick schweift nach links. Ein Berg. Der Gipfel – nicht spitz, eher rund. Wie abgeschliffen. Über das Gebirge erstreckt sich ein Gletscher mit der Fläche einer Kleinstadt. Ich kombiniere. „Abgeschliffene Bergspitze? Vermutlich durch das Eis abgetragen.“ Ich nehme ein Rauschen wahr. Mein Blick schweift nach rechts. Blaues Meer. Steile, pechschwarze Klippen. Wasser spritzt empor. Ich staune. Staune darüber, wie schön Natur sein kann. Ich bin zufrieden. Bin fast geneigt mich zu verbeugen, um meine Dankbarkeit für die unglaubliche Landschaft auszudrücken. In der Ferne ragt ein einsamer Leuchtturm hervor. Der Malarrif Leuchtturm – unser Tagesziel. Ein schmaler, länglicher Turm. Geschätzte fünf oder sechs Stockwerke hoch. Die Bauform erinnert mich an die einer Rakete. Die weiße Fassade hebt sich vom schwarzen Untergrund ab. Das Dach – eine rote Metallkonstruktion. Im Hintergrund brechen die Wellen an den pechschwarzen Klippen. Ein tolles Fotomotiv für mich und ein „Must-see“ für Leuchtturm-Liebhaberin Kathrin. Weiter geht die Fahrt.

 

 

Auf der rechten Fahrerseite entdecken wir kurze Zeit später eine weitere Sehenswürdigkeit – den Krater Saxholl. Wir halten an. „Ein Berg ohne Spitze, verbrannte Oberfläche“, registriere ich und mir wird klar, welche Kräfte hier einst wohl herrschten. Wir gehen die Treppe an der Seite des Kraters hinauf. Stufe für Stufe. Noch eine Stufe. Noch eine Stufe. Und noch eine Stufe. Bis wir schließlich oben sind. „Toller Ausblick“, denke ich. Wir verweilen – dann geht es die lange, flache Treppe wieder hinunter. Wir fahren weiter.
„Was geht da vor sich“, fragt Kathrin nach kurzer Weiterfahrt. Sie zeigt auf eine Gruppe. Menschen, mit Overalls und Helmen bekleidet. Taschenlampen in der Hand. Wir fahren langsamer. Nähern uns einem Schild: „Vatnshellir“. Eine Vulkanhöhle. Wir biegen ab, informieren uns am örtlichen Infostand. Vatnshellir – eine 8.000 Jahre alte Vulkanhöhle. 200 Meter lang und rund 35 Meter tief. Bei einer circa 50 minütigen Tour können Touristen das Erdinnere des Gletschervulkans Snæfellsjökull erforschen. Aus Zeitgründen passen Kathrin und ich und fahren weiter. Weiter zu unserem eigentlichen Ziel.

Nach einer guten Stunde sind wir endlich angekommen – der Malarrif-Leuchtturm. Aufgeregt parken wir das Auto und ziehen unsere Jacken an. Bei Islands sommerlichen 10 Grad ist das notwendig. Wir steigen aus und gehen zum Fuße des Leuchtturms. Ein toller Ausblick – wie vermutet. Kathrin und ich saugen den Moment auf.

Das Rauschen des Meeres im Vordergrund. Den beeindruckend gewaltigen Gletscher im Hintergrund. Glücklich fühle ich mich. Nach einer Weile wird es schließlich Zeit aufzubrechen. Wir besuchen noch das angrenzendem Visitor Center, bevor wir uns wieder auf den Rückweg nach Ólafsvik machen.

 

Der Süden – Islands Perle

Am nächsten Tag wollen Kathrin und Ich weiter Richtung Süden. Vorbei an Akureyri, Egilsstaðir, Höfn rund 900 Kilometer runter bis in die Nähe von Hof. „Vorsicht, unbefestigte Straße“, warnt uns ein Schild hinter Egilsstaðir an der Straße 95 Richtung Süden über die Hochebene Breiðdalsheið. Die Straße 95 war bis November 2017 ein Teil der Ringstraße. Mittlerweile gibt es eine asphaltierte Umgehung, die ehemalige Straße 92. „Wir sind falsch abgebogen“, sag ich mit knirschenden Zähnen. „Naja, so schlimm kann es schon nicht werden“, denk ich mir und fahren weiter.
Ich schalte in den 4. Gang. Der Asphalt wird bröckelig, die Straße sandiger. Mich überkommt ein ungutes Gefühl. Ich schalte in den 3. Gang. Handgroße Kiessteine und Schlaglöcher so groß wie eine Bowlingkugel häufen sich. Ich schalte in den 2. Gang. Kein Allrad-Antrieb. Das Auto wackelt hin und her, die Stoßdämpfer sind am Limit. Meine Laune wird schlechter. 1 Gang. Schrittgeschwindigkeit. Nur noch 25 Kilometer. Meine Atmung wird schneller, mein Blick steif nach vorne gerichtet. Ich runzle meine Stirn, sacke im Autositz zusammen, Schmollmund. Meine Begleitung: „Wow. Sogar hier oben gibt es noch Schafe“. Nur noch 24 Kilometer.

Nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder Asphalt unter den Reifen. Endlich wieder auf der asphaltierten Ringstraße 1. Die turbulente Fahrt über die Berge und das hügelige Hochland wird mit einem tollen Blick über die kilometerweite Landschaft belohnt.
Doch die Entspannung weilt nur kurz. Entlang der Straße stehen zwei Personen. Ein Mann und eine Frau winken. Ihr Blick ist Ernst. Wir halten. Die Stimme des Mannes klingt gefasst, sein Mundwinkel geht nach oben. Er zeigt auf den Wagen hinter sich. Der Geländewagen steht mit den Reifen in einem schlammigen Flussbett fest. „Ich wollte mal den Allrad-Antrieb ausprobieren“, sagt der Italiener. „Ich wusste nicht, dass das Flussbett so tief ist“, gesteht er. Seine Frau hat beide Arme verschränkt, meidet den Augenkontakt mit uns.
„Wir können leider nicht helfen, wir haben kein Abschleppseil“, vertröste ich den Mann. In der Zwischenzeit hält ein weiterer Wagen. Wir fahren weiter Richtung Süden.

Wir passieren den Vatnajökull. Das ist der Name des größten, europäischen Gletschers, der das gesamte Gebiet um ihn herum prägt. Auf einer Fläche von 8.100 km², was etwa 8 % der Fläche Islands entspricht, verbergen sich Jahrtausende alte Geschichte unter dem Eis. Wir machen einen Zwischenstopp bei der Gletscherlagune Jökulsárlón. Eisberge zum Anfassen. Direkt an der Ringstraße. Boots- und Wandertouren rund um den Gletscher werden dort angeboten.

 

 

Ich schaue mich um. Beobachte einen Vogel. Der Vogel sitzt auf einer Eisscholle, lässt sich von der Strömung treiben. Treiben, Richtung Meermündung des Pazifiks. Dorthin schwimmen die Eisberge, die von der Gletscherzunge abbrechen und in die Lagune fallen. Eisberge, so groß wie ein Auto, gar wie ein Ein-Familien-Haus. „Wenn die Eisberge nur sprechen könnten“, denke ich. „Sie hätten so viel zu erzählen.“ Ich bin beeindruckt und demütig zugleich. So schön die Eisberge anzusehen sind, existieren sie nur durch den steigenden Klimawandel.
Im Schneckentempo treiben sie Richtung Meermündung. Hinaus auf den Pazifik. Vorbei an einem Strand. Einem schwarzen Strand. Kleinere Eisbrocken, die von den Wellen des Meeres an den schwarzen Strand geschwemmt werden, verwandeln die Küste in ein Highlight. Die kleinen schimmernden und glänzenden Eisstücke sehen auf dem tiefschwarzen Sand aus wie Diamanten. Daher der Name des Ortes – Diamond Beach.

Wir fahren weiter zu unserer Unterkunft in Hvollsvöllur, ungefähr 1 ½ Stunden von Reykjavik entfernt. Eine AirBnB-Wohnung. Þóra Kristín, die Vermieterin, hinterließ uns einen Schlüssel. Der Kontakt mit Þóra Kristín war nett und freundlich. Ganz unkompliziert. Angespannt und hoffnungsvoll öffne ich die Tür. „Bitte lass die Unterkunft wie auf den Bildern sein.“ Der erste Eindruck. Sauber. Geräumig. Wir treten ein. Mikrowelle, Besteck, Bade-Utensilien – gut ausgestattet. Neue Möbel, in einem dunklen, stimmigen Ton gehalten. Dazu die Lage, vereint der Süden doch die bestbesuchtesten Sehenswürdigkeiten der Insel. Jökulsárlón, Selfoss, Skógafoss, Seljalandsfoss , das US-Navy-Flugzeugwrack C-117 am Sólheimasandur Strand, die Golden Circle Route. Von Hvollsvöllur lassen sich die schönsten Attraktionen Islands in kurzer Zeit erreichen. Kathrin und ich schauen uns zufrieden an.

 

 

„Gewaltig und beeindruckend“, denke ich, als ich vor dem Skógafoss stehe. Gewaltige Wassermassen brechen aus einer Höhe von 60 Metern ins Tal. Das zum Teil ausgetrocknete Flussbett ermöglicht es, dicht an den Wasserfall heranzutreten. Ich trete heran. In einem Wimpernschlag bin ich durchnässt. Der Sprühnebel durchdringt meine Softshell-Jacke. Die Elektronik meiner Spiegelreflexkamera spielt verrückt. Eine Naturgewalt zum Anfassen. Kathrin steht einen Meter von mir entfernt. Sie schreit mir etwas zu. Ich verstehe sie kaum. „Wie ich mich fühle“, wolle sie wissen. „Wie ich mich fühle?“ – Frei! Genau wie Kathrin.

 

 

Wieder in trockenen Tüchern erwartet uns wenige Kilometer weiter eines der Highlights Islands. Der Seljalandsfoss. Ein weiterer Wasserfall. Ich stehe vor ihm. Betrachte ihn. Nicht so groß wie der Skógafoss. Nicht so laut. Nicht so gewaltig. „Warum ist dieser Wasserfall so beliebt?“, frag ich Kathrin. Sie deutet auf ein Pärchen das auf dem Weg zum Wasserfall ist. Sie nähern sich ihm. Sie verschwinden. Sekunden vergehen. Sie tauchen auf der anderen Seite wieder auf. „Hinter den Kulissen des Wasserfalls? Das ist tatsächlich etwas Besonderes“, sag ich. Wir testen es aus. Wir stehen hinter dem Wasserfall. Sonnenstrahlen brechen durch das Wasser hindurch. Brechen das Licht. Lassen einen Regenbogen erscheinen. „Ein fantastischer Anblick.“

Fantastischer Anblick. Eine Beschreibung, die wohl auf ganz Island passen dürfte. Die Insel, geschaffen aus Feuer und Eis, ist ein begehbares Naturspektakel. Und das in jeder Ecke.

 

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