Mit dem Herzen im Norden: Jutta von 6 Grad Ost im Island Interview

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Interviews / Island

Schon seit einiger Zeit – vermutlich seit meiner ersten Islandreise – bin ich ein großer Fan von 6 Grad Ost. Jutta hat nicht nur großes Talent angenehm zu lesenden Texte zu verfassen sondern auch ein gutes Gespür für Licht und wie man es am besten mit dem Fotoapparat einfängt. Ich freue mich daher umso mehr, dass sie uns ein paar Fragen zu unser aller Lieblingsland beantwortet hat, die ich heute mit euch teilen möchte.

Los geht’s…

 

Wer bist du und was machst du?

Münsterländerin. Mit dem Herzen dem Norden und dem Meer besonders nah (und den Niederlanden, auch wenn es hier gerade um Island geht!). Fast 50. Mutter eines rebellischen Teenagers (der in Wahrheit wahnsinnig süß ist und oft so viel erwachsener als ich). Beruflich dreht sich bei mir alles ums Schreiben: Hauptberuflich schreibe ich für andere. Aus purer Freude im Blog, für Reisemagazine und neuerdings auch Bücher. Das macht mich ein wenig stolz.

Jutta von 6 Grad Ost in Island

Jutta von 6 Grad Ost in Island

 

In welcher Beziehung stehen Island und dein Reiseblog 6 Grad Ost?

6 Grad Ost habe ich nach meiner ersten Island-Reise gestartet. Ich hatte einfach das Bedürfnis, meinen Erlebnissen eine Bühne zu geben. Einen Ort, an den sich Familie, Freunde oder eben auch wildfremde Menschen „hinüberklicken“ können, um Geschichten nachzulesen, Bilder anzuschauen, sich vielleicht inspirieren zu lassen.

 

Du hast atemberaubende Bilder von Island gemacht: Was ist dein Geheimnis?

Keines. Ich habe einfach zauberhafte Augenblicke an wunderschönen Orten erlebt. Und versucht, etwas von alldem festzuhalten. Was mal mehr, mal weniger gelungen ist. Mit dem Stift bin ich wohl besser als mit der Kamera! Trotzdem glaube ich, dass Faszination und Leidenschaft für die Sache eine wichtige Rolle spielen. Immer dann, wenn ich mich in meinem ganz eigenen Tempo an einem Ort bewegen oder verweilen kann, gelingen die besten „Momentaufnahmen“. Und das nicht nur in Bezug auf Bilder.

 

Lieblings …

… Saison in Island?

Der Mittsommer fehlt mir noch! Vielleicht macht er dem Winter ernsthafte Konkurrenz? Ich würde sagen meine Lieblingsmonate sind Februar und März. Dann werden die Wintertage wieder etwas länger, so dass tagsüber genügend Zeit für Wanderungen und Entdeckungen bleibt. Nachts kann man mit etwas Glück – und das hatten Besucher in den letzten Jahren in Island besonders häufig – Polarlichter beobachten. Außerdem sind Eishöhlen in diesen Monaten sicher zu betreten, da das Schmelzwasser aus dem letzten Sommer dann schon lange abgeflossen ist. Die Eisdecken sind stabil. Mancher Wasserfall ist im Spätwinter zu einer bizarren Skulptur gefroren. Toller Anblick! Das Licht im Winter ist märchenhaft. Mich berühren Lichtstimmungen total.

6 Grad Ost - Aurora Borealis in Island

6 Grad Ost – Aurora Borealis in Island

Welche die beste Reisesaison für den einzelnen ist, ist natürlich auch abhängig davon, ob man Selbstfahrer ist und wie sicher man ein Auto steuert. Rasch wechselnde Wetterverhältnisse, „schwarzes Eis“ auf den Straßen und fehlende Seitenstreifen darf man nicht unterschätzen. Wer es ein wenig vorhersehbarer mag, entscheidet sich einfach für den Sommer. Denn schließlich hat jede Jahreszeit in Island ihren ganz eigenen Reiz.

 

… Region in Island?

Die nördlichen Westfjorde fehlen mir noch auf meiner Islandkarte. Abgesehen davon bin ich vom Osten fasziniert: Fjorde, dramatische Küstenabschnitte, bizarre Gebirgsketten, Gletscher, Eishöhlen und -lagunen, versteckte (kleine) Wasserfälle in Island, eine tolle Hinterlandschaft für ausgedehnte Wanderungen auf alten Schafspfaden. Oft, gerade im Winter, trifft man im Osten – und nur dort – auf Rentiere, die dann aus dem Hochland herabkommen.

 

… Restaurant in Island?

In Reykjavík das „Matur og Drykkur“, zu deutsch „Essen und Trinken“, ganz in der Nähe des alten Hafens. Das Restaurant serviert isländische Küche, modern interpretiert, ausschließlich unter Verwendung frischer, lokaler Zutaten. Die Rezepte sind angelehnt an den gleichnamigen Kochbuchklassiker von Helga Sigurðardóttir aus dem Jahr 1947 und raffiniert verfeinert. Wo heute flambierter Kabeljaukopf und Cocktails mit Schafsfett die Gaumen der Gäste kitzeln, wurde übrigens noch bis in die 1960er Jahre Fisch gepökelt.
Und natürlich das „Pakkhús“ in der kleinen Hafenstadt Höfn in meiner Lieblinsgregion, dem Osten. Höfn ist als Hummer-Hochburg von Island bekannt und am besten werden die Krustentiere, aber natürlich auch andere Meeresfrüchte, Fisch und Fleisch eben im „Pakkhús“ zubereitet.

 

… Ort für einen guten Kaffee?

Ich liebe Milch im Kaffee, deswegen gib es hier den entsprechenden Tipp: Auf der Halbinsel Snæfellsnes im Hotel Búðir, gleich neben der berühmten schwarzen Kirche, gibt es einen sehr guten Cappuccino. Dort im Wintergarten sitzen mit Blick auf den Zufluss zum nahen Meer und Robben beim Spielen zusehen – stilecht durch ein altes Messingfernrohr! Anschließend an den weißen (!) Strand hinab laufen und aufs hier türkisblaue Wasser hinaussehen. Hat was!

 

Du warst offenbar einige Zeit nicht in Island, zumindest, wenn man deine Social-Media-Kanäle anschaut: Wie kommt’s?

Ich muss schmunzeln: Siebenmal war ich in den vergangenen Jahren in Island, zuletzt im vergangenen Oktober mit der Familie. Für eine „Freizeitreisende“, die auch gerne einmal andere Fleckchen der Erde besucht, ist das doch eine nette Billanz!? Es hat gar keinen besonderen Grund, dass ich in diesem Jahr (noch) nicht in Island war. Sehnsucht habe ich immer!

 

Findest du Island hat sich seit deinem ersten Besuch verändert und wenn ja, wie? Und welche Aufgaben kommen in den nächsten 3-5 Jahren auf das Land zu?

Absolut. Nichts Neues: Der Hype um Island hat zu stark ansteigenden Besucherzahlen geführt. Nach der Finanzkrise einkommenstechnisch regelrecht ausgehungert, hat Island – und damit meine ich nicht nur die Gesellschaft, sondern auch den einzelnen Isländer – den Tourismus mit offenen Armen empfangen. Ohne Konzepte, unvorbereitet, sehr pragmatisch – wie die Isländer eben sind.

Heute treten sich Touristen mancherorts regelrecht auf die Füße. Insbesondere dort, wo grandiose Naturschauspiele ohne langen Fußmarsch erreichbar sind. Am Golden Circle beispielsweise, der beliebten Tour über Þingvellir, wo zwei tektonische Platten unter oft spürbarem Beben der Erde auseinanderdriften, vorbei am Geysir Strokkur, der in hübscher Regelmäßigkeit Wasserfontänen in die Luft schleudert, bis sich der Kreis am gewaltigen Wasserfall Gulfoss schließt. Aber eben auch entlang der Südküste und hinauf zur ikonischen Gletscherlagune Jökulsárlón mit ihren driftenden Eisbergen. Orte, die in Ein- oder Zweitagestouren von Reykjavík erreichbar sind. Die meisten Besucher konzentrieren sich wirklich auf eine Handvoll spektakulärer Orte.

Was hat sich außerdem verändert? Stark gestiegene Preise in Restaurants und Hotels oder für Dienstleistungen, beispielsweise geführte Touren. Eine zeitlang klafften Preis und Leistung extrem auseinander. So in Hotels oder Guesthouses, die in Bezug auf Ausstattung und Sauberkeit wirklich zu wünschen übrig ließen. Parkplätze, sanitäre Anlagen, Cafés, Mülleimer (!) … nichts konnte dem plötzlichen Ansturm standhalten.

Hier hat Island extrem aufgeholt. Insgesamt hat sich ein besseres Bewusstsein für die Bedürfnisse von Reisenden entwickelt: es gibt mehr ansprechende, zeitgemäße Unterkünfte, befestigte Wege – beispielsweise zum Svartifoss – werden angelegt, Parkplätze eingerichtet, schöne Cafés an kleinen Besucherzentren oder in der unmittelbaren Nachbarschaft von Naturschauspielen und landschaftlich oder historisch interessanten Orten eröffnet. Oft architektonisch behutsam und sehr gelungen in die Landschaft integriert. Beispielsweise das Fosshotel Glacier Lagoon in der Nähe von Jökulsárlón oder die Milkfactory, eine zum Boutique-Hotel umfunktionierte, ehemalige Milchproduktion in Höfn.

Handlungsbedarf gibt es aus meiner Sicht vor allen bei der Sensibilisierung der Island-Reisenden. Ich habe das Gefühl, dass viele Besucher mit der Einstellung ins Land kommen, Island sei ein großer Abenteuerspielplatz: aufregender Nevenkitzel, alles sei möglich, nichts wirklich gefährlich! Untermauert von Legionen von Bildern, die Menschen am Abgrund von Gulfoss oder Goðafoss balancierend zeigen, Frauen in gelben Regenjacken an der Klippe von Dyrhólaey sitzend oder durch die auslaufenden Wellen bei Reynisfjara watend. Erst vor zehn Tagen ist ein Mann in den Gulfoss gestürzt. Einige ausländische Besucher wurden in diesem Jahr schon von den tückischen Wellen bei Reynisfjara ins Meer gezogen. Die Menschen starben. Niemand in Island will, dass so etwas passiert. Island ist aufregend, wunderschön, einzigartig. Aber in Island regiert die Natur. Darauf sollten sich Besucher einstellen. Und achtsam sein!

 

Sparfüchsin: Dein Tipp, um im Island-Urlaub Geld zu sparen!

Gut planen und rechtzeitig Flüge und Unterkunft buchen. Auf keinen Fall beim Mietwagen und der Versicherung sparen! Blockhütten für Selbstversorger sind eine gute Möglichkeit, um auf Restaurantbesuche zu verzichten. Zu viert reisen, um die Kosten für Mietwagen, Benzin und vielleicht auch die Unterkunft zu minimieren. Natur genießt man in Island gratis. Wasser ist in Cafés und Restaurants ebenfalls gratis! Sich lieber von privaten Kontakten schöne Orte zeigen lassen. Im Schneemobil über den Gletscher brausen ist vielleicht aufregend. Aber teuer. Und aus ökologischer Sicht sicher nicht die beste Idee.

 

Yay or nay …

Walfleisch: Geht gar nicht. Vor allem ethische Gründe – viele Walarten gehören zu den vom Aussterben bedrohten Spezies – sprechen gegen den Verzehr von Walfleisch. Aber auch gesundheitliche Aspekte: Walfleisch gilt als stark schadstoffbelastet. Die sanften Riesen der Meere gehören nicht auf den Speiseplan.

Pferdefleisch: Da würde ich eher die Frage „Fleisch ja oder nein?“ stellen. Was unterscheidet das Pferd vom Schaf, vom Rind, vom Huhn? Warum sollte das eine im Kochtopf landen, das andere nicht? Ist wohl eine Grundsatzfrage.

Gammelhai: Nun, der Grönlandhai ist ja nicht vergammelt, sondern durch Fermentierung haltbar gemacht. Fermentieren, säuern oder räuchern: Auf der entlegenen Insel sorgte man so über Jahrhunderte für einen ausreichenden Vorrat an Lebensmitteln für die Wintermonate. Fermentierter Hai – im Isländischen Hákarl – gehört darum zu den traditionellen Speisen des Þorrablót. Ursprünglich eine nordische Opferfeier für die Götter, traditionell gegen Ende Januar, wurde das Fest mit der Unabhängigkeitsentwicklung gegen Ende des 19. Jahrhunderts als identitätsstiftend neu entdeckt. Neben Hákarl gehören beispielsweise eingelegte Schafshoden (hrútspungur), Trockenfisch (harðfiskur) oder Blutwurst (blóðmör) und das leckere, süßliche Roggenbrot (rugbrauð) zum traditionellen Essen. Wer es einmal probiert hat, weiß, dass die Zeiten früher ziemlich hart waren! Wohlschmeckend ist anders.

Wildcamping:

Anmerkung von Marc: In Absprache mit Jutta habe ich den Absatz genau so belassen wie er war, wir wollen aber klarstellen: In Island gilt kein Jedermannsrecht! Wir haben das beide erst nachschlagen müssen, denn diese falsche Aussage hält sich leider hartnäckig im Netz. Hier kannst du mehr zum Thema Jedermannsrecht in Island lesen.

In Island gilt – wie auch beispielsweise in Norwegen, Schottland oder der Schweiz – das Jedermannsrecht (almannaréttur), das das Betreten von privatem Land erlaubt. Was früher das Reisen über weite Entfernungen in einem oft straßenlosen Gebiet ermöglichte, ohne mit Landbesitzern in Konflikt zu geraten, ist heute für achtsame Wanderer interessant, sollte aber bitte nicht für wildes Campen missbraucht werden! In Island gibt es ausreichend viele preisgünstige und mit guten sanitären Anlagen ausgestattete Campingplätze. Denn genau das ist der springende Punkt: Was beim wilden Campen als „organischer Müll“ zurückgelassen wird, kann in den kurzen isländischen Sommern – und schon gar nicht in den kühleren Monaten – verrotten. Solche „Fundstücke“ sind für andere Besucher natürlich extrem unappetitlich … Wer übrigens über einen Weidezaun klettert, um Schafe oder Pferde zu fotografieren, macht sich in Island des Landfriedensbruchs schuldig. Hier gilt kein Jedermannsrecht!

Camper Vans: Wer damit auf einen Campingplatz fährt: prima! Ich habe mit meinem Sohn Island selbst einmal im Camper Van umrundet und fand es extrem ungemütlich. Die Fahrzeuge sind wenig komfortabel, was nicht erst nach Inselumrundung am schmerzenden Po und Rücken spürbar wird. Eine Nacht lang haben wir es in dem Ding ausgehalten. Großer Nachteil: Die „Vans“ sind so klein, dass man natürlich gewaltig umräumen muss, bevor man sich auf der Schlaffläche ausbreiten kann. Im strömenden Regen keine so gute Idee. Wer es mag … Mit ist die Kombination aus solidem Pkw und Blockhütte, B&B oder Hotel lieber. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Übrigens häufig keine Kostenfrage, wenn man es einmal durchrechnet!

 

Dein ultimativer Geheimtipp für den Islandurlaub?

Kontakt zu Isländern knüpfen. Vor der Reise. Sich vor Ort treffen auf einen Kaffee oder sich einen Lieblingsplatz zeigen lassen. Ich habe das auf fast jeder Reise gemacht. Und nicht bereut. Nicht an die Hot Spots fahren. Island ist überall überwältigend. Und überwältigend schön. Lieber Orte auswählen, die weniger bekannt sind. Man sollte bereits sein, eine kleine Wanderung auf sich zu nehmen. Schließlich kommt man der Natur wegen nach Island!

Jökulsárlón und den schönen, schwarzen Lavastrand mit den angespülten Eisbergen besuchen? Ja, ich glaube, daran führt nichts vorbei. Auch, wenn es so wahnsinnig viele Besucher dort gibt. Dann aber auch die hübschen Lagunen Hoffelslón und Heinabergslón besuchen. Garantiert besucherfrei! Der Landeigner bei Stoksness im Osten hat seinen Grund und Boden Wanderern zugänglich gemacht, Wege ausgewiesen und ein gemütliches Mini-Café eingerichtet. Total schön. Ich mag es dort sehr. In der Nähe gibt es meinen Lieblingsplatz mit den Resten eines 100-jährigen Segelboots.

Kaum jemand setzt auf die Westmännerinsel über. Auf der Hauptinsel Heimeaey den erloschenen Vulkan Eldfell besteigen und einen grandiosen Blick auf das Festland und einige der bizarren, unbewohnten Eilande genießen. Heimaey bietet auch tolle Klippen mit Seevogel-Kolonien, die man vom Wasser aus beobachten kann. Unbedingt im Norden Islands eine (sanfte) Whale Watching Tour einplanen. Die besten Chancen auf Mink- und Buckelwale, Orcas oder sogar Pottwale hat man in den Monaten Mai bis September.

Der ultimative Tipp: Wem nur eine Woche oder 10 Tage in Island zur Verfügung stehen, der sollte nicht die Insel umrunden wollen. Lieber in einer Region bleiben und die ganz entspannt (wandernd) erkunden. Wie gesagt: Island ist überall atemberaubend schön!

 

Vielen Dank an Jutta für die interessanten Antworten. Schau unbedingt mal in ihrem Blog 6 Grad Ost vorbei! Außerdem kannst du schon jetzt das Buch Meeresrauschen: Vom Glück, am Wasser zu sein vorbestellen.

 

 

Viel Spaß in Island!

5 Kommentare

  1. Christine Voigt sagt

    Ich bin seit 2 Jahren Island-süchtig und danke euch für die wunderbaren Berichte und Tipps!
    Bitte unbedingt weiter so🤗
    Herzliche Grüße
    Christine

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