Ich habe mich mit Florian Becker, Geologe und Islandfan, unterhalten um herauszufinden wie man sich eine Tour mit ihm in Island vorstellen kann und was einen erwartet.
Florian veranstaltet mit seinem Unternehmen Vulkankultour regelmäßig Reisen zu vulkanisch aktiven Regionen wie Sizilien, den Azoren und eben auch Island. Sein Team besteht aus vier absoluten Experten auf diesem Gebiet und bei Gruppengrößen von maximal 8 Teilnehmern sind Nachhaltigkeit und eine hohe Qualität garantiert.
Im Folgenden also eine Zusammenfassung unseres etwa 90 minütigen Gesprächs. Los geht’s…
Hallo Florian. Wer bist du und was machst du?
Ich bin Florian und habe eine kleine Reiseagentur namens Vulkankultour.
Vor 12 Jahren habe ich angefangen mit kleinen Reisegruppen nach Italien zu fahren und dann kam Island relativ schnell dazu. Es handelt sich hier nicht um abenteuerliche field trips, sondern geführte Wandertouren die wirklich jeder mitmachen kann. Ich und meine Kollegen sind alle Geologen und/oder Vulkanologen, sodass Geologie schon einen besonderes Fokus bekommt. Kleine Gruppen sind uns wichtig.
Island ist für uns wegen seiner Natur interessant und weil es vulkanologisch interessant ist, wir machen jedoch keine besonderen Touren zu Ausbrüchen etc. Es ist aber nicht so, dass wir nur zu Vulkanausbrüchen wie z.B. Bárðarbunga 2014 oder Eyjafjallajökull 2010 fahren. Aber wenn sowas passiert während wir in Island sind, versuchen wir natürlich schon dorthin zu kommen. Ansonsten unternehmen wir „normale” Wanderreisen, auch abseits der Vulkane.
Wann warst du zum ersten Mal in Island und wie kam es dazu?
Zum ersten Mal war ich im Sommer 2004 dort. Ich sage immer ‚die gute alte Zeit‘, bevor es zum Massentourismus kam also. Damals bin ich mit meinem alten Golf ganz klassisch über die Faröer Inseln mit der Fähre nach Island gekommen. Damals musste man dort einen 2-tägigen Zwischenstop einlegen, sodass man sich auch nochmal in Ruhe die Faröer anschauen konnte: Für mich ein absolutes Highlight. Gerade für Islandinfizierte ist dieses tolle Archipel sehr empfehlenswert!
Wie hast du Island in den letzten Jahren erlebt, wie hat es sich deiner Meinung nach verändert?
Island ist & bleibt eines der schönsten Länder der Welt, vielleicht sogar das schönste Land der Welt! Was ich natürlich miterlebe, ist dieser wahnsinnig ansteigende Tourismus. Den ich natürlich, im ganz kleinen Rahmen, auch ein bisschen mitverantworte. Ich sehe da aber einen Unterschied, ob ich jetzt Busladungsweise Touristen von Hotspot zu Hotspot fahre oder in kleinen Gruppen nachhaltig die Insel erkunde.
Jedes Mal wenn ich in Island bin habe ich das Gefühl es ist schon wieder mehr geworden und mittlerweile unabhängig von den Jahreszeiten.
Ich kann mich noch daran erinnern wie es war im Winter 2007 zum ersten mal in der kalten Jahreszeit in Island zu reisen: Wir wurden, weit weg von Reykjavik, schräg angeschaut und gefragt was wir denn hier treiben zu dieser Jahreszeit. Auf dem Land hatten die Leute damals wochenlang keine anderen Menschen gesehen und dann standen wir da auf der Matte. Heute sind sie den ganzen Winter über ausgebucht.
Am Wasserfall Seljalandsfoss gibt es mittlerweile riesige betonierte Parkflächen und in Þingvellir stehen die ersten Parkautomaten. Das sind so die offensichtlichen Dinge, neben all denen die nicht so herausstechen.
Kommentar Marc: Ich war 2015 zum Tauchen in Island und habe 3 Monate im hiesigen Tourismus gearbeitet. Damals sagten die Kollegen, es sei der erste Winter in dem sie Saison und Nebensaison nicht mehr wirklich unterscheiden konnten.
Wie gehen die Isländer mit dem Tourismus um?
Im Jahr 2004 waren etwa 120.000 Besucher in Island, im ganzen Jahr! Mittlerweile sind es im November, ehemals krasse Nebensaison, schon über 100.000 Touristen. In einem Monat. Das Land steuert deutlich auf 2 Millionen Besucher im Jahr zu.
Die Isländer, die historisch keine Probleme mit Touristen haben, wissen meiner Meinung nach damit nicht umzugehen bzw. was das bedeutet: Die Natur leidet und es wurde keine Infrastruktur geschaffen um sie zu entlasten. Wege werden immer mehr ausgetrampelt und so weiter.
Vor Ort sieht man die Dollarzeichen in den Augen derer, die hier ihr Geld verdienen. Dass man langfristig die Grundlage dessen zerstört, hierfür ist das Bewusstsein einfach noch nicht ausreichend vorhanden.
Eine Anekdote: Im November war ich mit einer ganz kleinen Gruppe in Island, 5 Personen. Natürlich kenne ich mittlerweile ein paar Geheimtipps und mit den richtigen Leuten steuere ich diese dann auch gerne einmal an. In diesem Fall ein kleiner Wasserfall, der selbst vielen Locals nicht bekannt ist. Nun kommt mir auf diesem Feldweg dieses mal jedoch ein riesiger Omnibus voll mit Touristen entgegen und als ich den Fahrer frage, warum er es für nötig hält diesen fragilen Weg zu nehmen statt den nahe gelegenen Skógafoss anzusteuern, antwortet dieser:“Der Boss will das so.“
Man könnte hier eine tolle Reise anbieten, ohne die fragile Natur so massiv zu belasten, aber wie gesagt ist das Bewusstsein einfach noch nicht vorhanden.
Was kann man tun?
Kommentar Marc: An der Uni habe ich damals in den BWL Vorlesungen gelernt, der Markt regle es. Angebot und Nachfrage. Meine Theorie ist, dass genau dies in Island gerade passiert und bei meiner letzten Reise nach Reykjavik, im Dezember 2016, dachte ich bei mir: Das wird wohl das letzte Jahr in dem Normalverdiener sich einen Islandurlaub leisten können.
Ich sehe das ähnlich. Im Herbst fahre ich mit meinem Sohn nach Island und wir übernachten in einfachsten Unterkünften, Hütten und Jugendherbergen etc. Wenn man da schon über 100€ pro Nacht bezahlen muss ist das einfach irgendwann nicht mehr machbar mit Familie.
Die hiesigen Unternehmer können es sich erlauben die Preise in Island zu erhöhen, denn die Hotels werden sowieso voll. Jahrelang war ich Stammgast in einem bestimmten Hotel das mir sehr am Herzen lag. Nachdem der Besitzer wechselte und die Preise mehrfach erhöht wurden, musste ich für meine Gruppen nun leider ein anderes Hotel finden weil ich diese Preise einfach nicht mehr abbilden kann.
Für mich sind die Nationalparks in den USA ein gutes Vorbild: Hier gibt es Permits welche die Anzahl der Besucher beschränken. Diese muss man im Voraus buchen, was die ganze Sache planbarer für die Locals macht.
Du kennst ja sicher den heißen Fluss im Reykjadalur Tal bei Hveragerði. Hierher führt mittlerweile auf den ersten hundert Metern eine betonierte Strecke, die man theoretisch mit dem Auto befahren kann. Irgendwann einmal, werden die Leute bis zum Wasserfall hinauf fahren wollen und das ist einfach der falsche Weg! Die Natur hier ist so sensibel, ist sie einmal kaputt wird sie sich einfach lange Zeit nicht erholen.
Kommentar Marc: Im April 2015 war ich zum ersten mal hier und habe damals den Aufbau der ersten Holzplanken gesehen. Damals gab es noch einen Schotterweg und nur wenige Fußspuren. Schon damals war klar, das Landschaftsbild würde sich verändern.
Deine Lieblinge?
Saison: Frühjahr
Region: Der einsame Nordosten Islands
Café: Kaffi Krus in Sellfoss und Halldórskaffi in Vík
Bar: Keine
Restaurant: Suður-Vík (Bestes, aber auch teuerstes Lammfilet meines Lebens!)
Tour: Nord-Island im Winter
Ort: Ísafjörður bzw. die Insel Grímsey
Yay oder nay?
Gammelrochen (Kæst skata): Nay!
Lammkopf (Svið): Nay!
Walfleisch: Nay!
Pferdefleisch: Jau! (Schmeckt wie Rindergoulasch)
Skyr: Jauuu!
Wildcampen: Jain. (Kommt drauf an, wo und wie…)
Campervans: Jain. (Für mich ist es nichts, aber total OK mit dem Campervan durch Island zu reisen)
Gänsehaut-Moment: Was war dein einschneidenstes Erlebnis in Island?
Ich glaube da stehen mir ein paar bevor, denn ich plane im Sommer 2018 eine ganz besondere Tour in die Wetsfjorde von Island. Hierfür habe ich einen lokalen Guide gefunden, der die Gegend in die wir fahren wie seine eigene Westentasche kennt und ich denke eine solche Tour wird sonst nur schwer zu finden sein.
Das erste Mal Polarlichter: Das war auf dem Balkon von meinem Hotel in Hveragerði, unter mir plätscherte der Bach und über waren Polarlichter vom Allerfeinsten. Das war Wahnsinn! Hast du auch schonmal welche gesehen?
Kommentar Marc: Im März 2015 sah ich zum ersten Mal Nordlichter in Island, die sehr schwach und sehr unspektakulär waren. Im Hafen von Reykjavik, bei voller Beleuchtung der Stadt. Mein Gänsehaut-Moment hat aber ebenfalls mit Nordlichtern zu tun und ereignete sich nur wenige Tage später an einem meiner liebsten Orte auf der Welt: Silfra.
Ausblick: Wie wird sich Island in den kommenden 3 Jahren entwicklen?
Ich versuche hier positiv zu sein und erhoffe mir einen harmonischen Tourismus in der Zukunft. Wenn ich an Islands Zukunft denke, dann denke ich fast ausschließlich an den Tourismus.
OK, das ist nicht ganz richtig: Ein weiterer großer Faktor ist der Klimawandel: Ich habe den Skógafoss im Winter noch mit riesigen Eiskaskaden links und rechts erlebt. Das habe ich Jahre nicht mehr gesehen. Vor allem die Winter sind in den letzten Jahren deutlich wärmer geworden. Die Gletscherlagune wird jedes Jahr größer, der Gletscher selbst geht jedes Jahr hunderte Meter zurück. Man merkt es schon brutal, wie sich das Land in den vergangenen Jahren durch dem Klimawandel verändert hat.
Kommentar Marc: Seltsamerweise, hatte ich diesen Aspekt nicht so auf dem Schirm. Florian ist viel regelmäßiger und schon über markant längere Zeiträume in Island als ich und so fallen diese Veränderungen einfach noch markant mehr auf: Wenn man Referenzpunkte aus Vorjahren hat, kann man Veränderungen quantifizieren. Wenn du also nach Island reist: Frag hier und da mal einen Local / Guide wie es am jeweiligen Ort vor 10 Jahren aussah, im Hinblick auf die Natur. Die Antworten werden dich vielleicht hier und da überraschen!
Geheimtipp: Was darf man in Island nicht verpassen, was nicht im Lonely Planet zu finden ist?
Kommentar Marc: Florian hat richtig, richtig viele tolle Geheimtipps. Sie wären aber keine Geheimtipps, wenn er sie mir verriete 😉
Ganz im Nord-Osten Islands gibt es noch die endlos lange Halbinsel Langanes, sie sieht aus wie ein Entenschnabel. Hier kannst du eine lange Schotterpiste, vorbei an unzähligen verfallenen Höfen vorbei fahren bis zu einem Leuchtturm und dem verlassenen Fischerdorf Skálar. Hier ist der von Reykjavik am weitesten entfernte Ort und entsprechend kannst du hier auch die Anzeichen der Landflucht am besten sehen. Eine bizarre Gegend und touristisch noch relativ unerschlossen.
Anti-Tipp: Worauf kann man guten Gewissens verzichten?
Blaue Lagune.
Kommentar Marc: Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen!
Ich war früher gerne und oft dort, ein Dutzend Mal in meinem Leben. Ich weiß noch wie es damals war, deshalb ist es jetzt heute abtörnend für mich. Sie ist für mich ein Symbol für den ’neuen Tourismus‘ in Island geworden.
Fazit
Tolle Einblicke von einem absoluten Experten. Vielen Dank für das tolle Gespräch!
Wenn ihr Fragen an Florian habt könnt ihr diese am besten hier in den Kommentaren loswerden, er wird sie sicher gerne beantworten! 🙂