Silfra… Im Rahmen meiner mehrtätigen Tauch Tour in Island führten mich glücklicherweise gleich zwei Tauchgänge nach Þingvellir. Dieser geschichtsträchtige Ort ist umgeben von vier aktiven Vulkanen, namentlich Hrómundartindur, Hengill, Prestahnjúkur und Hrafnabjörg. Das Tal gehört zum Golden Circle Islands und ist seit 2004 Teil des Unesco Weltkulturerbe. Hier findet sich die Tagungsstätte eines der ältesten Parlamente der Welt, wo sich schon im Jahre 930 jährlich Wikinger trafen um Gesetze zu besprechen und durchzusetzen.
Die Schlucht selbst liegt mitten auf der Bruchzone zwischen der Nordamerikanischen und der Eurasischen Lithosphärenplatte (tektonische Platten).
Hier zerreißt es – buchstäblich – die Erde.
Genau hier, sollte ich den bisher wohl spektakulärsten Tauchgang meiner jungen Taucherkarriere erleben. Dazu gekommen war es, als ich kurz nach Beendigung meines Tauchscheins im Internet nach den besten Tauchspots der Welt gesucht und zufällig über Silfra gestolpert war. Acht Wochen später sollte ich in’s Kalte Wasser springen.
Die Silfraspalte zieht sich durch den gesamten Þingvellir Nationalpark und endet im Þingvallavatn See. Zu großen Teilen ist sie mit Erde gefüllt, ab einer Stelle tritt jedoch Wasser zu Tage, welches eine Jahrzehntelange Wanderung vom über 50km entfernten Gletscher hinter sich hat. In dieser Zeit wurde das Wasser durch gigantische Mengen an Lavagestein gepresst und von jeglichen Schwebstoffen und Verunreinigungen befreit. Auch wenn das Wasser so lange unterwegs und so weit vom eisigen Gletscher entfernt ist, bleibt es bei der gleichen Temperatur wie zu Beginn der Reise, etwa 2°C.
Wenn man in tropischen Gewässern von guter Sicht berichtet, sind damit meist 20, vielleicht 30m gemeint. Das kommt einem bereits so vor, als könne man so weit schauen wie es die Augen eben zulassen. In Silfra beträgt die visibility mehr als 130m. Das Wasser ist so glasklar, dass in dem Moment in welchem man tief genug ist um herauf zu schauen, nicht mehr klar ist wo die Wasseroberfläche genau beginnt: Der unter ihr liegende Raum spiegelt sich perfekt und nahtlos wieder, sodass man die Illusion eines unendlichen Raums vor sich hat. Dieser Ort hat etwas von Unendlichkeit, die so atemberaubend ist, dass man sich als Taucher irgendwann wundert wo denn die Luftblasen hin sind. Bis man wieder atmet.
Aber auf Anfang: Wir fahren über den Rücken der nordamerikanischen Platte in das Tal der Volksversammlung und halten kurz bei einer Touristeninfo um uns im Trockenen schonmal die Unterkleidung anziehen zu können. Von hier geht es weiter zur Silfra Eintrittstelle, die von den einheimischen auch „toilet“ genannt wird – ich verkneife mir zu fragen wieso. Die Taucheranzüge sind schnell angelegt und kurz darauf machen wir uns auf den Weg zum Einstieg, ein paar hundert Meter vom Parkplatz entfernt. Hier führt eine Stahltreppe in das von oben unscheinbare Gewässer. Wir ziehen die Handschuhe an, spucken in die Masken und starten die Kameras.
Beim Einstieg zischt die Luft aus den Taucheranzügen und nacheinander werden Füße, Beine, Bauch und Brust kalt. Nur die Luft in der Weste hält einen jetzt noch oben. Gespannt warte ich auf die anderen und riskiere keinen Blick nach unten, ich möchte mir Das für den Moment bewahren in dem wir tatsächlich abtauchen. Während Einer nach dem Anderen das Wasser betritt, betrachte ich ehrfürchtig die neben mir aufragenden Felswände. Hier wird einem bewusst, dass an ihnen die Grundlagen der Erde hängen, Plattformen auf denen unsere Welt fußt. Hier kommen sie zusammen bzw. entfernen sich voneinander.
Als wir alle zusammen sind, heben wir unsere Luftschläuche und mit jedem kräftigen Zischen sinken wir alle langsam tiefer, bis die Farbtemperatur genauso abkühlt wie unsere Lippen und Wangen. Der Ausblick ist kalt, blau und atemberaubend. Selbst hier, im kleinen Eintrittsbecken wird einem schnell bewusst wie besonders dieser Tauchgang werden wird. Auch wenn man noch keine Ahnung hat, was einen noch erwartet.
Der Tauchgang startet in einem größeren Becken von etwa 15m Tiefe. Von hier aus geht es einige Meter entlang des Rift in Richtung Süden. Über eine weniger tiefe – max. 1m – Stelle führt der Wege einen nun in die Halle von Silfra. Hier befinden sich auch die Eingänge zum Höhlensystem von Silfra das bis zu 45m tief ist. Große Felsblöcke versperren regelmäßig den Weg und drohen bei jedem Erdbeben einzustürzen. Auch deswegen ist es hier heute untersagt in die Höhlen hinab sowie generell tiefer als 18m zu tauchen.
Nach 150-200m gelangt man in das Herzstück dieses außergewöhnlichen dive spot, die Silfra Kathedrale. Hier entfaltet sich die Schönheit dieses Ortes auf einer Länge von über 100m und in eine Tiefe von mehr als 20m. Schon beim ersten Blick in die Kathedrale – bei der man die Sandbank am Ende bereits klar erkennen kann – bleibt vielen Tauchern tatsächlich kurz der Atem weg. Wer Bilder von Silfra im Internet, in Tauchmagazinen oder im Fernsehen findet kann ziemlich sicher sein, dass sie hier entstanden.
Am Ende der Kathedrale führt der Weg einen an einen Unterwasserstrand welcher nach rechts direkt in den See und nach links direkt in die Silfra Lagune leitet. Auch wenn die Versuchung groß ist der Strömung nach rechts zu folgen, entscheide ich mich jedes Mal der Tauchgruppe in die Lagune zu folgen. Auch hier kann man vom Anfang bis zur Ausstiegstreppe sehen. Die Entfernung beträgt über 120m.
Insgesamt durfte ich dieses Erlebnis vier mal erleben, zwei mal bei meinen Übungen zum Tauchen im Trockenanzug und zwei mal mit der Tauchgruppe. Ich hätte alle anderen Tauchgänge vermutlich ohne nachzudenken abgesagt um wieder in die blaue Unendlichkeit abtauchen zu dürfen.
Wer nicht tauchen kann oder will, kann hier auch Touren zum Schnorcheln unternehmen.
Silfra Fakten
- Die Silfra Spalte ist der eigentliche Grund warum Inseln wie Island und die Azoren existieren, denn sie liegen genau darauf
- Im Grunde ist die Silfra Spalte über 65.000km lang, sie tritt nur auf ein paar davon zu Tage
- Sie spaltet nicht nur den nordamerikanischen und europäischen Kontinent sondern auch den südamerikanischen und afrikanischen.
- Die Silfra Spalte erweitert sich jedes Jahr um etwa 1-2cm
In Kooperation mit Dive.IS.